Challenge Henley-on-Thames mit den Herrmanns

    Der Triathlon am Alpe d’Huez war ihnen noch nicht genug in diesem Jahr. Es musste schon eine "echte" Langdistanz sein im Jahr 2013. Und so starteten Antje und Roland Herrmann bei der Challenge Henley-on-Thames.

    Rechts – Links – Luft holen. Das Ufer der Themse gleitet parallel zur Nase vorbei. Der Fluss schläft noch und ist in Nebel gehüllt. Links – Rechts – Spähen – Luft holen. Erst vor einer Viertelstunde ist der Startschuss zur Challenge Henley für diese 2. Welle mit 240 Startern gefallen. Die 3800 m bestehen aus einer Wendestrecke, also 1900 m stromauf, 1900 m stromab. Da vorn nimmt die nächste Boje langsam schemenhaft Gestalt an. Ich sehe sie nur, weil ich den grünen Badekappen vor mir gefolgt bin, die den Badekappen vor ihnen folgen … und die erste folgt dem Boot, worin jemand sitzt, der hoffentlich den Weg kennt. Das Wasser ist mit 16°C nicht eben warm, aber erträglich. Da ist dann auch endlich die Wendeboje! Nun wird nochmal schnell gedanklich der Ablauf für T1 durchgegangen, aber bald schon reißt mich die Animationsmusik aus meinen Planungen, das blaue Aufblastor ist schon zu sehen.

    Eine helfende Hand zerrt mich auf den Ponton hinauf. Ich torkele zur Reihe der roten Turnbeutel. Enthält das Themsewasser Alkohol? Fast anderthalb Stunden im Wasser herumgelegen, fällt es schwer, sich wie homo erectus zu bewegen. Auch fühlt sich alles wie eingefroren an, die Bewegungen sind wie in Zeitlupe. Irgendwann ist es geschafft, und ich sitze auf dem Rad. Die Luft ist mit 8°C noch kälter als das Wasser, also heißt es jetzt fleißig kurbeln und reichlich Riegel naschen, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Der Nebel lässt nur 50 Yards weit schauen. Immer schön links halten, wir sind in England. Die Straße ist ziemlich eng; wenn hier der normale Autoverkehr tobt, wäre das nicht unbedingt mein bevorzugtes Trainingsrevier. Einen Randstreifen gibt es nicht, wer über die zugewachsene Randmarkierung fährt, verfängt sich schnell in einer Hecke. Die eng eingerahmten Straßen bieten im Gegenzug einen passablen Windschutz. Der Kreisverkehr in Nettlebed ist die Drehscheibe der Strecke, von dort gehen sternförmig vier Teilstrecken ab und kommen wieder zurück. Nun meint man, in England gibt es keine richtigen Berge. Das mag sein, aber die vielen kleinen Anstiege summieren sich zu immerhin 2000 Hm. Richtig flotte Abfahrten enden hier meistens mit einer steilen Kurve ins Ungewisse oder einen Wendepunkt, so dass man immer wieder den schönen Schwung kaputtbremsen muss. Der rauhe Asphalt macht den Beinen zu schaffen – wenn man auf so einem Untergrund oft trainieren würde, könnte man die Myofibrillen vielleicht daran gewöhnen. Die Straßenqualität gehört halt wie das englische Wetter zum spröden Charme dieser Insel. Dazu gehört auch, dass die Insulaner auch bei den Regenschauern und bei Dauer-Niesel treu an der Strecke bleiben und enthusiastisch anfeuern. Hier ein kleines Wörterbuch der Anfeuerei, Ihr kennt sie sicher noch in weiteren Sprachen:

    Deutsch

    Geil, suupa!! Das sieht (noch) gut aus!

    Weiter so! HopHopHop!

    Französisch

    Bravo! Süpäär!

    Allez-allez! Courage!

    Englisch

    Well done! Really great!

    Keep going! You're gonna make it!


    Die Rufe kommen richtig von Herzen und erfreuen den Athleten. Einen Anstieg von 13% über 200 m gibt es auch (dreimal), die einzige Gelegenheit, wo ich auf Klettermodus schalten darf. (Das geht so: Rettungsring auflegen, Hintern auf dem Sattel nach hinten – und mit stetigem 60er den Berg hinauf.) Ab der zweiten Runde sehe ich hier Sportler ihre Räder schieben – Dabeisein ist alles! Prima übrigens, wenn man so leicht einen Platz gutmachen kann. Aber heute liegt ja eigentlich ein ganz anderes Ziel an: endlich einmal einen Marathon in der Langdistanz ohne Wandereinlagen zu absolvieren. Also sollte wohl der Radsplit eher locker absolviert werden, aber daraus ist mal wieder nichts geworden.

    Mit einem flotten Ausrollen fliege ich auf Henley zu. Drei Riegel, zwei halbe Bananen und nicht einmal zwei Liter Flüssigkeit sind verbraucht. Der 2. Wechsel geht hurtig von Statten, schon bin ich in den Laufschuhen und unterwegs auf der ersten halben Meile durch die Altstadt von Henley-on-Thames, wo die Fans und Anwohner Spalier stehen und die Läufer nach Kräften motivieren, großartig! Es sind vier Runden als Wendestrecke am Themseufer hin und her zu laufen. Runde 1 ist ja noch interessant, die Strecke unbekannt: Asphalt, Schotter, Wiese – alles dabei. Die Verpflegung ist auch auf der Laufstrecke vorbildlich, aber ich nehme nur Wasser, Cola und ab und zu eine Orange. Wieder zurück in Henley, kurz vor dem Einsammeln des ersten Runden-Armbändchens, sichte ich erleichtert meine Antje, die den Radsplit auch pannenfrei überstanden hat. Bei Runde 2 verwickelt mich ein James aus London in ein Gespräch über den Triathlon in L'Alpe d'Huez und erzählt, dass er heute seinen ersten Marathon überhaupt läuft. Und das in einem Langdistanz-Triathlon. Na, Hut ab! So ein Schwätzchen lenkt ab vom Zwicken im Bein und motiviert dazu, nicht im Tempo nachzulassen. Es hat nun angefangen zu regnen – mein Laufwetter. Trotzdem tut Runde 3 ganz schön weh. Ich variiere die Schrittfrequenz, um die Routine aufzulockern, suche mir Läufer aus, die ich überholen will... naja, meistens wird nichts draus. Aber irgendwas muss man sich halt vornehmen, kleine Teilziele setzen. Runde 4 hat dann den Reiz, die letzte zu sein, und geht gleich wieder etwas besser. Irgendwann ist es dann soweit: Noch einmal durch die Stadt und dann zum Ziel. Da ist sie wieder, die Gänsehaut! Die Arme gehen für's Zielfoto nach oben, dann recken sich mir von unten Kinderärmchen mit meiner Finishermedaille entgegen...

    Geschafft! Platz 159 von 356 ist es am Ende geworden, 11. von 32 in der AK M50 – das passt in die Welt. Antje, die auch bald eingetroffen ist, darf sogar aufs AK-Treppchen!

    Ein charmantes Rennen und eine eher familiäre Langdistanzveranstaltung. Vielleicht kommen wir mal wieder hierher.

     

    Die Herrmanns



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