100 km-Duathlon 2012

    weiterlesen Warum ein zweiter Platz manchmal auch sehr glücklich macht  (...)

    Wenn man dreimal hintereinander aus einem Wettbewerb als Sieger hervorgegangen ist, tritt man beim vierten Mal mit großer Sicherheit nicht an, um Zweiter zu werden. In der Vorbereitung werden die vergangenen drei Siege auf mögliche Verbesserungen analysiert, die gesammelten Erfahrungen werden zur gründlichen Planung und Formfindung genutzt und sofern es ein Teamwettkampf war, wird das Team verstärkt. Doch auch all dies nützt an manchen Tagen nichts und man muss einem anderen Sportler bzw. Team den Vortritt lassen. Was von Außen wie eine Niederlage aussehen mag, kann aber auch das schönere Rennen gewesen sein, nämlich wenn man mit der Erkenntnis im Ziel aufschlägt, das die vergangen sechs Stunden total geil waren und das Team alles gegeben hat. Von einem derartigen Rennen möchte ich im Folgenden auszugsweise berichten.

    Das Rennen, bei dem sich die folgende Geschichte zugetragen hat, nennt sich 100km-Duathlon, wurde dieses Jahr zum 17. Mal ausgetragen und findet immer am ersten Maiwochenende des Jahres statt. Es gilt eine profilierte Strecke rund um Dresden in einem Team aus fünf Läufern und vier MTBs zu absolvieren. Ein Sportler läuft also, während seine Kameraden ihn begleiten, wobei die Wechselintervalle beliebig sind. Der Startabstand der Teams beträgt eine Minute und die Startreihenfolge wird nach der erwarteten Leistungsfähigkeit festgelegt, d.h. das vermeintlich stärkste Team startet zuletzt. Wie bereits angedeutet, konnte ich zusammen mit wechselnden Teammitglieder den 100km-Duathlon bereits in den vergangen drei Jahren gewinnen. Nach dem letzten Duathlon, bei dem ich harte Minuten überstehen musste, hatte ich eigentlich meinen Frieden mit dieser Veranstaltung gemacht. Irgendwer aus dem Team hatte jedoch im Jahresverlauf die Strapazen anscheinend erfolgreich vergessen und so wurde nach einem Team für 2012 gefragt. Also was soll 's, machen wir halt wieder mit, ein Ziel ist ja für's Training immer ganz hilfreich.

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    Ein Teil der Teammitglieder war schnell gefunden. Micha, der schon zweimal teilgenommen hat, war sofort wieder Feuer und Flamme und auch Dirk brauchte ich nicht zu überreden, war doch in diesem Jahr mit einer plötzlichen Geburt nicht zu rechnen. Für die restlichen zwei Plätze im Team konnte ich Andreas Jalowi und Markus Fritzsche gewinnen. Andi seine Qualitäten sollten hinlänglich bekannt sein, zumal ihn Annett bei Wind und Wetter vor die Haustür jagt. Markus hatte bereits viele Jahre mit dem Skiklub Dresden Niedersedlitz am Duathlon teilgenommen und war als Kämpfer verschrien. Ein Backup-Starter stand ebenfalls bereit.

    Die Testergebnisse im Vorfeld des Duathlons lasen sich auch bestens, so dass wir äußerst zuversichtlich sein konnten. Und so kam der Samstag. Ich hatte noch bis in die Nacht am MTB geschraubt, was einige Teammitglieder mit Besorgnis zur Kenntnis nahmen, natürlich total unbegründet! Die Duathlon-Greenhorns waren schön aufgeregt, was mich einige Kraft kostete die Temperamente auf das Wesentliche zu fokussieren. Als schnellstes Team des Vorjahres durften wir als Letzte vom Platz kullern. Das schrumpft die Taktik auf einen einzigen Satz -  „Wer zuletzt startet und als Erster im Ziel ist, hat gewonnen.“  - zusammen. Direkt vor uns ging Konrads Team Flaming Sideburns vom Stapel und eine weitere Minute davor lief das favorisierte Team aus Chemnitz los. Die Chemnitzer waren bereits zweimal gestartet und hatten bisher immer ein wenig Pech mit den Muskeln und dem Material. Wir waren uns überaus bewusst, dass sich die Mannen um Lars Richter sehr viel vorgenommen hatten und unbedingt den Pokal mitnehmen wollten. Sie verzichteten beispielsweise auf Rucksäcke und hatten statt dessen zwei Radbegleitungen, die sich um so lästige Angelegenheiten wie Essen und Trinken kümmerten. Außerdem waren sie so in der Lage die Abstände zu den folgenden Teams zu messen, was für den Rennverlauf noch wichtig werden sollte.


    Durch die in Relation zu Chemnitz langen Laufzeiten verloren wir jedoch an Boden, was aber durchaus einkalkuliert war. Als Ausdauerdreikämpfer weiß man ja, dass die Ente hinten raus quackt. An den Verpflegungsstellen füllten wir die Trinkflaschen auf, dem leckeren Bienenstich und anderen Köstlichkeiten schenkten wir jedoch keine Beachtung. Diese sollte es erst im Ziel geben.Nun denn, der Startschuss erfolgte und wir meisterten das erste Hindernis in Form eines Pollers in der Einfahrt zum Schulgelände. Nicht jedem Team war dies geglückt! Die Wechsel spielten sich bei drei bis vier Minuten ein. Zum einen sind kürzere Wechsel extrem stressig, was bei sechs Stunden Wettkampfdauer zunächst möglichst zu vermeiden ist und zum anderen kann das Team so in den ersten Stunden einen guten Rhythmus finden, bevor die Wechsel aufgrund der Ermüdung automatisch kürzer werden. Konrads Team hatten wir überraschend schnell ein, so dass wir uns voll und ganz auf das Team aus Chemnitz konzentrieren konnten. Das Tempo der ersten drei Stunden war hoch, lies aber zugleich noch Luft für eine Steigerung. Mit voller Begeisterung und einem Lächeln im Gesicht flogen wir förmlich durch die schöne Landschaft, liefen auf schmalen Wegen durch goldgelbe Rapsfelder mit Hasen um die Wette und durchquerten sonnendurchflutete Wälder, wobei uns ein ordentlicher Wind folgte. Die Strecke führte uns in südlicher Richtung aus Dresden heraus, an Rabenau und der Talsperre Malter vorbei nach Grillenburg und Grund. Im Triebischtal wurde Andis Grinsen immer breiter je mehr Steine, Wurzeln, Pfützen, Pilze und scharfe Kurven sich ihm in den Weg stellten. Auf dem MTB mussten wir schon ganz schön an der Kette zerren, um diesem jungen Hirsch zu folgen.

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    Durch geschickte Navigation konnten wir Jörg und seine drei Kinder an mehreren Stellen zu winken. Und wie jeder weiß, hebt sich die Ferse automatisch ein gutes Stück höher, wenn der Trainer an der Strecke steht.

    Kurz vor Meißen haben wir dann auch Marcels Team (Maximale Wirkleistungskompensation) aufgelaufen, nach dem wir ein paar weise Dummheiten sowie dumme Weisheiten ausgetauscht hatten, mussten wir auch weiter und ab diesem Zeitpunkt lagen nur noch die Chemnitzer vor uns. An der vorherigen Verpflegung war uns ein Abstand von über vier Minuten zugeraunt worden. Doch nur Ruhe, es sollte erst noch nach Meißen gehen, danach an der Elbe entlang und schließlich gestochen scharf den Berg nach Batzendorf und Reichenbach hoch. An diesem Berg hatte es letztes Jahr das Team zerlegt, was wir tunlichst vermeiden wollten. Dirk uns ich ließen die drei Übrigen auf dem Elberadweg allein und fuhren in den besagten Anstieg rein, um frisch und froh an die Besteigung zu gehen. Das letzte Stück kurz vor der Kuppe ist dank grobem Kopfsteinpflaster und einer olympiatauglichen Steigung immer eine Laktatgarantie. Das Tempo blieb dank guter Krafteinteilung und beständiger Nahrungsaufnahme schnell. Hoch über der Elbe leiteten uns die gelben Duahtlon-Schilder gen Dresden, doch noch lag ein gutes Stück Arbeit und Wonne vor uns. Teilweise kamen uns von vorne die Radbegleitungen der Chemnitzer entgegen, um den Abstand zu messen und auch weil die Beine den Betreuungsleistungen nicht ganz gewachsen waren. In den letzten zwei Stunden funktionierte das Team reibungslos. Ein jeder war an seinem Platz, der Läufer gab ordentlich Gas und mit den letzten Riegeln und Gels wurde zum Finale gerüstet. Bei der 4,5-Stunden-Marke ertönte die Anweisung zur (nochmaligen) Verkürzung der Wechsel. Die Laufstrecken sollten um die 200 bis 300 Meter liegen, damit der Läufer das Laktat und eine unnötige Ermüdung vermeiden konnte. Es ging ein regelrechter Ruck durch das Team, alle hatten den knappen Abstand zu den Chemnitzern im Kopf. Stellenweise konnten wir sie anhand von frischen Gelverpackungen und aufgestaubten Feldwege förmlich greifen. Mit der Ablösung in Sichtweite konnte wir nun volle Lotte laufen, der Moment auf den jeder von uns gewartet hatte war gekommen. Die Arme und Beine verschmolzen zu einer rotierenden Scheibe, die Atmung wurde eingestellt, weil sie eh nicht hinter hergekommen wäre. Die philosophischen Gespräche über die Weltpolitik, das Programm der Semperoper und die Wichtigkeit alter Apfelsorten reduzierten sich zu kurzen motivierende Anrufen beim Abschlag.

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    Spätestens in der letzten Stunde waren alle Teammitglieder im berühmt berüchtigten Flow, und allen offenbarte sich die Essenz dieses Wettbewerbs. Mit der geübten Zurückhaltung in den ersten 2/3 der Strecke, einer konsequenten Energiezufuhr und guter physischer Verfassung sind die letzten zwei Stunden eine einzige Lecke, wobei das Team in unerwarteter Weise zusammen wächst.

    Bekanntlich haben auch die schönsten Momente ein Ende und so hechteten wir den Schlussanstieg zum Gymnasium Dresden Plauen hoch und überquerten in einem angemessen Erschöpfungszustand die Ziellinie. Vor dem ersten von zahlreichen Radlern und Würsten stand nur noch eine Frage: Wie lange waren die Chemnitzer Recken bereits im Ziel? Sonderlich erholt sahen sie noch nicht aus und ein kurzer Check offenbarte, dass die Reifen der MTBs noch warm waren. Ganze 47 Sekunden haben sie uns bei einer Wettkampfzeit von 5:50 Stunden abgenommen, was rund 0.23 Prozent entspricht! Nachdem zahlreiche Schultern geklopft und genügend Worte ausgetauscht waren, konnte die Aufladung der Energiedepots beginnen.

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    Über die Zielverpflegung ließen sich hier noch mehrere Lobeshymnen schreiben, wovon ich aber absehen will. Nur so viel sei gesagt: Die 6-10 Stunden harte Arbeit sind nahezu schlagartig vergessen, wenn ein Radler und eine rote Grütze mit Vanillesoße im Mund zu einen isotonischem Wunder verschmelzen. Leider fing es bei der dritten derartigen Mischung an heftig zu regnen und die nun eintrudelnden Teams sahen ferkelmäßig aus. Die regenscheuen Gemüter zogen sich in die Turnhalle zurück. Gute Laune, tolle Geschichten, völlige Erschöpfung, Krämpfe, Bratwurstgeruch und noch viel mehr Schweiß vermischten sich hier zu einer einzigartigen Atmosphäre.

    Nach der Siegerehrung hatten wir noch Losglück und konnten uns über tolle Preise freuen.

    Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass wir keineswegs die einzigen Triathleten bei dieser Veranstaltung waren. Fugi hatte sich Max ins Boot geholt und beide gaben eine hochgradig gute Figur ab. Überdies war der Nachwuchs durch Mara, Alexander und Paul im Team 'Das weltweit meiste Duathlonteam Dresden 2' vertreten. Aus unseren Gesprächen weiß ich zu berichten, dass ihr Ähnliches wie wir erlebt habt und sicherlich nächstes Jahr wieder am Start seid.

    Ein großer Dank gilt dem Org.-Team des VfA Endlos e.V.

    Webseite: >>100km-duathlon.de<<

    Ergebnisse: >>http://100km-duathlon.de/ergebnisse/ergebnisse-2012/306-ergebnisliste-2012<<

    Bilder:

    Euer Martin