Cozumel - ,,ich habe mich selber bezwungen''

    Das Rennen ist nun schon 2 Tage  Geschichte. Meine Stimmung ist gut und entspannt. Mein Körper hat keine Kratzer abbekommen und das Rennen super verkraftet.

     

    Nachdem ich das Ziel völlig erschöpft erreicht habe, war ich mir nicht so richtig sicher, was ich fühlen sollte. Auch 2 Tage später geht es mir nicht anders. Ich stehe hier so zwischen Tür und Angel, als hätte das Rennen gar nicht stattgefunden. Die Zeit rennt und Gefühle finden irgendwie keinen Platz, Emotionen bekommen keinen Raum. Dabei fing alles super an... das Schwimmen verlief im wahrsten Sinne reibungslos. Der Startschuss fiel und die Meute (ca. 2600 Starter) rammelte los. Ich befand mich ganz rechts von dem Feld, konnte in Ruhe los schwimmen und einen guten Rhythmus finden. Da die Schwimmstrecke verkürzt wurde (Enni hat berichtet warum), kam ich schon nach knapp 38min. aus dem Wasser und rannte Richtung Wechselzelt. Im Zelt hab ich mich dann schnell umgezogen und ab in den Wechselgarten zum Rad und raus auf die Strecke. Schnell fand ich auch da meinen Rhythmus und ab ging die Post. Habe sehr schnell viele Plätze gut machen können und war nach 10km schon unter den Top 40. Leider war zu erwarten, dass sich Gruppen bilden werden und genau das passierte. Die ganze Zeit fuhr ein Kampfrichter mit dem Moped neben der Gruppe her und wies die Sportler permanent darauf hin, Abstand zu halten und rechts zu fahren. Aber er verteilte keine rote Karte. Nach der ersten Runde war die Gruppe ca. 30 Mann stark, sauberes Fahren fiel sehr schwer (7m Abstand). Ab  Km 75 bin ich dann mal 12 km an der Spitze gefahren, um den Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Bei Km 89 hab ich dann eine rote Karte bekommen (4min. Zeitstrafe). Das hieß, die nächste Penaltybox war meine. Die rote Karte war berechtigt, aber dann hätten alle eine bekommen müssen..... so sinnlos, denn auf der anderen Inselseite war ein extrem harter Gegenwind, vor allem in der 2. und  3. Radrunde. Da ist keiner sauber gefahren, aber mich und einen Argentinier hat es erwischt. Also 4min. gestanden und weiter ging die Hatz. Ja, was soll ich sagen, kaum ging es weiter, kam die nächste Gruppe. Sie war 6 Mann stark, da hab ich mich hinten dran gehangen und bin mit Sicherheitsabstand mitgefahren. Nach der 2. Runde wusste ich schon, dass es eine gute Radzeit wird und habe versucht locker zu bleiben. In der 3. Runde zerfiel dann die Gruppe, denn der Gegenwind war extrem hart. Das kostete viele Körner. Auf den letzten 20km hatte ich dann Rückenwind und rollte mit 40 Sachen Richtung Wechselzone. Mit der Radzeit von 4:56h bei 182km bin ich sehr zufrieden, da ich noch nie schneller war auf einer Ironmandistanz. Bis hierher verlief alles nach Plan und ich fühlte mich gar nicht so schlecht. Durch die Wechselzone durch, in die Laufschuhe rein und raus auf die Strecke. Die ersten Schritte gingen gut und ich fühlte mich leicht. Was mir aber auffiel, dass es extrem heiß war in der Stadt. Nach 3km merkte ich „nee das wird Kopfsache“, nach 4km sagte der Kopf ''nee ich mach das nich mit'', nach knapp 5km ging ich das erste Mal oder zweite Mal, egal, von da an lief nur noch kaltes Wasser über meinen Körper. Ich steckte Eis in die Hose, unter die Mütze und nahm es in die Hände, um mich abzukühlen. Das half Stück für Stück. Wie sollte ich bloß den Marathon schaffen, völlig leer und keinen Bock mehr. Also ein Schlachtplan musste her. 3 Runden a 14km waren zu Laufen und eine Halbe hatte ich schon geschafft. „Also lauf erst mal die 1. Runde zu Ende und dann schauen wir mal“. Hawaiiquali war da schon längst abgehackt, nur noch überleben und finishen (ein Triathlet stirbt nicht, er finisht ;) ). Also kämpfte ich mich Meter für Meter vorwärts, obwohl keine Faser mehr wollte. Ich habe bisher alle meine 10 Ironmanstarts ins Ziel gebracht „du darfst nicht aufgeben, nein du darfst nicht“. In Nizza lief es so super und hier gar nix. Also weiter, 1km gerannt, 200m gegangen und so war die 1. Runde dann rum. Bei meiner Freundin Annett und ihren Eltern, die mich begleiden, suchte ich Trost und Hilfe. So richtig helfen konnte sie mir aber nicht und ich lief in die 2. Runde, irgendwie hoffte ich auf die 2. Luft. Ich aß und trank regelmäßig, kühlte mit kaltem Wasser und Eis, rannte 1km und ging 200m. So überlebte ich die 2.Runde. Es litten viele mit mir und manche stürmten an einem vorbei, als ginge nix einfacher, Hut ab.  Also noch einmal 7km hinauf kämpfen. Der Himmel wurde dunkler und Regen nahte. An der letzten Wende fing es an zu tröpfeln und auf einmal regnete es wie aus Kannen. Das tat schon mal gut und es ging auch bissel besser. Ein kleines Ziel hatte ich mir dann doch noch gesteckt und der Kampfgeist war schwach, aber da. Ich wollte den Marathon noch unter 4h schaffen. „Also los Perschi, quäl dich du Sau“ und die Sau hat sich gequält. Spass hat es nicht gemacht, aber das Ziel war nahe. Selbst 500m vor dem Ziel ging ich nochmal ein paar Schritte. Auf der Zielgeraten fiel dann jeglicher Schmerz ab und ich war so heil froh, zu hause zu sein. Es ist verrückt, ja es ist verrückt, zu was der Körper alles in der Lage ist. Nach 9:32h lief ich durch das Ziel, den Marathon liefging ich noch in 3:51h. Ja Wahnsinn, ich habe mich selber bezwungen und mein Kämpferherz hat durchgehalten, unglaublich. Das erste an was ich mich nach dem Zieleinlauf erinnern kann waren meine Gedanken: ,,nie wieder, nie wieder Ironman''  ;)

    Man könnte einen ellenlangen Bericht schreiben. Jede Sekunde mit Gefühlen und Gedanken vollstopfen. Ich hoffe, ich konnte Euch vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn mal nicht alles nach Plan läuft.

    PS: Wer mein Tagebuch aufmerksam gelesen hat, wird mitbekommen haben, dass ich die Saltin-Diät gemacht habe. Das war Mut zum Risiko, denn ich habe sie vorher noch nicht angewendet und empfehle sie auch nicht weiter. Im Nachhinein erzählten mir viele Sportler, damit schon große Probleme gehabt zu haben. „Schuster bleib bei deinen Leisten“ würde mein Trainer jetzt sagen.

    Ich danke allen, die mich am Wettkampftag begleidet haben und das letzte Jahr für mich da waren.

     

    Bisbald,EuerSveni :-)