So liebe Sportfreunde,
ich habe die zweifelhafte Ehre, Euch zu berichten, wie drei junge Männer ihre Freizeit am Wochenende verbringen.
Während ihre Altersgenossen zum Nikolaustag ihre Lieben mit der ein oder anderen Kleinigkeit beschenken, in besinnlicher Atmosphäre zur Ruhe kommen oder Plätzchen backen, allgemein Dinge tun, die zum ihrem eigenen Wohlergehen oder dem ihres sozialen Umfelds beitragen, ist das bei den drei genannten Individuen komplizierter zu beschreiben.
Ja, sie sind Mitglieder in diesem Verein und aus verständlichen Gründen wollen die Beteiligten anonym bleiben.
Es fing damit an, dass der eine, nennen wir ihn Hagen, den zwei anderen, sagen wir Christian und Charles, eine Mutprobe vorschlug. Der Logik dieses primitiven Männerrituals folgend, kam es für Christian und Charles nicht in Frage einen Rückzieher zu machen.
Dementsprechend fanden sich die drei jungen Herren bald auf der Meldeliste des „Getting Tough -The Race“ wieder.
Als das härteste Extremlauf - Event Kontinentaleuropas promoten es die Veranstalter.
Ob das stimmt, sei dahin gestellt. Jedenfalls sind dreiundzwanzig Kilometer Crosslauf bei winterlichen Bedingungen mit über hundert Kriech-, Lauf-, Trage- und Kletter-Schikanen und Hindernissen in Form von „Wasser, Feuer und Strom“ eine Ansage. Da versteht man vielleicht besser, warum in den Vorjahren bis zu einem Drittel der Starter nicht ins Ziel kamen.
Jetzt wird sich der geneigte Leser vielleicht fragen: „Wat' is denn los mit denen?“ Ja, Warum macht man so etwas? Die Antwort lautet im besten Fall wohl: „Weil ich diese Erfahrung einmal gemacht haben will“. Im Fall unserer drei jungen Herren jedoch ganz klar „Weil ich den anderen was beweisen und meine Maskulinität offen zur Schau stellen will.“
Kommen wir zur Realisierung dieses fragwürdigen Unternehmung. Wie so oft in Boygroups, verlief auch hier zunächst alles harmonisch. Die Stimmung vor dem Release war gut, der Stress wegen ein paar vergessenen Schuhen eines Kollegen und der ewig hinausgezögerte Start perlte an der hervorragenden Laune einfach ab.
Aber schon nach dem ersten Erfolg, der Überwindung des längsten Kriech-Hindernisses Europas in Form von einem bodennahem, unter Strom stehenden Stacheldraht, trennte man sich.
Charles wollte die ganze Chose lieber – so seltsam es im Kontext auch klingen mag - mit ein wenig mehr Vernunft angehen und sich nicht körperlich komplett verheizen. Außerdem schob er vor, - Achtung, ein sozialer Wesenzug - sich um einen unerfahreren Kollegen kümmern zu müssen. Hagen und Christian waren auf einem männlichen Egotrip. Sie passierten noch gemeinsam zwei Meter tiefe Wassergräben und einen Fluss. Nach Kilometer vier ging es Hagen verletzungsbedingt langsamer an. Christian blieb seinem Ego treu und versuchte den Kontakt zu der Spitze des Läuferfeldes zu halten. Um es nicht leidvoll und unnötig in die Länge zu ziehen:
Auf den lauflastigen ersten zwanzig Kilometern mussten die Jungs rund neunhundert Höhenmeter und ein paar interessante Aufgaben bewältigen: Steiles Gelände mit Berg-und Tal Slaloms, das Schleppen von Autoreifen und crossige Trails.
Doch der eigentliche Spaß ging erst nach dieser Warmlaufphase mit einer erneuten Flussquerung los. Dann folgte eine ehemalige Militärkampfbahn mit Hindernissen an denen einst NVA-Soldaten geformt wurden. Dann ging es eine Runde Sandsacktragen. Dann in ein vierhundert Meter langen Wassergraben, der durchwatet werden musste. Ein Highlight war das folgende Freibad. „Bei wenigen einstelligen Plusgraden“ Wassertemperatur waren mehrere Tauchgänge und eine Hangelpassagen über dem Becken zu absolvieren. Charles stieg hier aus legitimen Gründen nicht mit ein sonder -aus. Wer eine Aufgabe nicht bewältigen wollte oder konnte, fiel natürlich - hart aber fair - aus der Wertung.
Vor dem „Walk of Fame“, dem finalen Hindernisschlachtfeld, ging es noch einmal kurz in den Fluss und unter die kalte Dusche. Solchermaßen erfrischt, gelang das Kriechen, Krabbeln, Hüpfen, Springen, Laufen und Klettern gleich viel unverkrampfter. Wer die Kälte noch nicht spürte, bekam spätestens hier von der Gaffermenge im Zielbereich eine Gänsehaut. Alles rundherum lärmte und wollte die Sportler akustisch über die Hindernisse schieben, und sich dann daran amüsieren, wie bekloppt man sein kann.
So blieb also gar nichts anderes übrig, als einen auf tough guy zu machen und vor großem Publikum nochmal richtig maskulin zu wirken.
Einen Zieleinlauf wie hier hat man selten gesehen. Den jungen Herren geht’s übrigens inwischen wieder ganz gut.
Viele Grüße,
Eure Strolch-Bande